Komplexe Zusammenhänge von Geometriefaktoren

Aus der Beschreibung der bisher genannten Geometriefaktoren dürfte deutlich geworden sein, dass eine Veränderung eines jeweiligen Faktors Auswirkungen in mehrfacher Hinsicht nach sich zieht. Noch komplexer werden die Zusammenhänge beim Nachlauf und der so genannten Vorderradabsenkung:

Nachlauf

Der Nachlauf ist der Abstand zwischen den Aufstandpunkten „B“ (Lenkachse) und „A“ Nachlauf_ABB6_6(Laufrad).
Der Nachlauf wird kleiner
–    je steiler der Steuerwinkel,
–    je größer die Gabelbiegung,
–    je kleiner der Laufradradius.
Der Nachlauf wird größer
–    je flacher der Steuerwinkel,
–    je kleiner die Gabelbiegung,
–    je größer der Laufradradius.

Von einigen Ausnahmen, z. B. Tandems und Extremkonstruktionen abgesehen, sind ca. 50 bis 60 mm Nachlauf als günstig anzusehen.

Auswirkungen des Nachlaufs auf die Fahreigenschaften:
Ein günstiger Nachlaufwert mit einem mittleren Steuerwinkel bewirkt ein ausreichend direktes, gut beherrschbares Lenkverhalten (Beispiel Reiserad: 71° Lenkrohrwinkel, 56 mm Nachlauf, bei ca. 110 cm Radstand).
Ein kleiner Nachlauf bei tendenziell steiler werdendem Lenkrohrwinkel bewirkt ein immer direkter werdendes bis hin zum hypernervösen Lenkverhalten (Beispiel Rennrad: 74° Lenkrohrwinkel, 50 mm Nachlauf, bei ca. 100 cm Radstand). Ein solcher Rahmen ist für geübte Amateure und Profis bei Straßenrennen (Pulkfahren, Ausreißmanöver etc.) geeignet. Leider werden Rahmen mit einer solchen Geometrie auch massenhaft an FreizeitradlerInnen verkauft – nach dem Motto „Mensch gewöhnt sich ja an alles“.
Ein großer Nachlauf mit tendenziell flacher werdendem Lenkrohrwinkel führt zu immer träger werdenden Lenkeigenschaften. Eine weitere Einflussgröße für die Lenkeigenschaften sind die Lenkkräfte. Sie nehmen mit größer werdendem Nachlauf zu. In der Praxis spürbar wird dies allerdings erst bei Lenkrohrwinkeln unter ca. 68° in Verbindung mit großen Nachlaufwerten.

Vorderradabsenkung/Lenkkopfrohrabsenkung

Diesen Begriff werden Sie in der Fahrradliteratur meist vergeblich suchen, dennoch ist es ein Maß von Bedeutung. Die auf den ersten Blick so einfach erscheinende räumliche Geometrie von Rahmen und Gabel ist bei näherer Betrachtung recht kompliziert, weil beispielsweise der Vorderradaufstandspunkt beim Schwenken/Einschlagen sowohl nach hinten als auch zur Seite hin versetzt wird.
Wenn Vorder- und Hinterrad fluchten, befindet sich das Fahrrad auf seinem „höchsten Punkt“. Je größer der Lenkeinschlag, desto weiter werden Rahmen und Vorderrad abgesenkt. Das gilt jedenfalls für Rahmen mit üblichen Geometriebedingungen (bei Gabeln ohne Versatz beispielsweise sind die Gegebenheiten anders).
Leider gibt es bisher keine Untersuchungen/Forschungen mit anwendungsbezogenen Ergebnissen zu diesem Thema. Aus Fahrversuchen geht jedoch hervor, dass bei sehr flachen Lenkkopfrohrwinkeln (ca. 67° – 70°) in Verbindung mit großen Nachlaufwerten (über 55 mm) das Wiegetrittfahren wie auch das Kurvenverhalten schwierig wird (Neigung zum In-die-Kurve-fallen).