Technische Faktoren der Rahmengeometrie

Der Radstand
ist das Maß zwischen der Mitte der vorderen und hinteren Ausfallenden. Grundsätzlich gilt, je länger der Radstand, desto besser der Geradeauslauf („Länge läuft“), wobei die Wendigkeit geringer wird. Wenn der Radstand Extremwerte erreicht (z. B. 90 cm kurz oder 130 cm lang) können die daraus resultierenden Eigenschaften auch durch andere Faktoren der Geometrie nicht mehr ausgeglichen werden (z. B. Wendigkeit bei 130 cm oder hervorragender Geradeauslauf bei 90 cm Radstand).

Vorderbaulänge
Vorderbaulänge-Hinterbaulänge_ABB6-5ist das Maß Mitte Tretlager bis Mitte vordere Ausfallenden. Sie resultiert aus Rahmenlänge/Oberrohrlänge, Steuerrohrwinkel und Gabelbiegung. Sie bestimmt über die Fuß-/Trittfreiheit und beeinflusst die Gewichtsverteilung.

Hinterbaulänge
ist das Maß Mitte Tretlager bis Mitte hintere Ausfallenden. Sie wird auch Kettenstreben- oder Unterstrebenlänge genannt und hat Einfluss auf die Gewichtsverteilung und damit auf die Fahreigenschaften. Je kürzer dieses Maß ist, umso größer die Belastung des Hinterrades. Wenn das Körpergewicht zu sehr auf dem Hinterrad lastet, kann eventuell der Eindruck eines „schwammigen“ Lenkverhaltens entstehen. Ein langer Hinterbau wirkt dem Abheben des Vorderrades entgegen (wichtig z. B. bei Anhängerbetrieb, Kindersitzmontage, hoher Gepäckzuladung usw.) und verbessert die Fahreigenschaften bei Zuladungen im hinteren Bereich (Gepäck, Kindersitz usw.).

Für leicht beherrschbare Fahreigenschaften haben sich folgende Abmessungen bewährt:

  • Trekkingbike/Citybike/Reiserad  =  ca. 440 – 460 mm
  • dto. für große Zuladung  =  ca. 460 – 500 mm
  • Straßenrennrad  =  ca. 410 – 430 mm
  • Mountainbikes 26 Zoll  =  ca. 420 – 460 mm
  • Mountainbikes 29 Zoll  =  ca. 440 – 480 mm

Tretlagertiefgang
nimmt Bezug auf die Ebene der Ausfallenden (Mitte Ø Tretlagergehäuse: Mitte Ø Ausfallenden). Wenn ein Rahmen konstruiert wird, ergibt sich der Tretlagertiefgang (siehe Grafik = „TT“) auf Grund des vorgesehenen Laufradradius abzüglich der gewünschten Tretlagerhöhe.
Tretlagertiefgang und Tretlagerhöhe_Abb6_2Formel: Laufradradius minus Tretlagerhöhe = Tretlagertiefgang.
Nur bei kleinen Laufrädern und gleichzeitig großer Tretlagerhöhe kann sich sozusagen einmal ein „Tretlagerhochgang“ (Tretlagerebene = oberhalb der Ausfallendenebene, z. B. bei einigen Liegeradmodellen) ergeben.

Tretlagerhöhe
bezeichnet die Entfernung zwischen Tretlagermitte und dem Boden. Sie ergibt sich aus Laufradradius minus Tretlagertiefgang. Da die Bereifung variieren kann, ist auch die Tretlagerhöhe (siehe Grafik = „TH“) variabel. Sie wächst mit zunehmender, verringert sich mit abnehmender Reifenhöhe. Die Tretlagerhöhe ist bedeutsam für die mögliche Bodenberührung der Pedale bei Schräglage, für den Fall, dass das kurveninnere Pedal unten steht. Außerdem ist sie im Hinblick auf die verwendete Kurbellänge wichtig. Im gleichen Maß wie diese (für Erwachsene ca. 160 – 185 mm) sollte auch die Tretlagerhöhe eines jeweiligen Rahmenmodells bei den unterschiedlichen Rahmengrößen berücksichtigt werden, was bei Serienrahmen jedoch kaum der Fall ist. Bei den meisten Rahmenherstellern gibt es die Tendenz, das Tretlager höher anzuordnen als eigentlich erforderlich.
Ein weiterer Aspekt ist der Freiraum der Kettenblätter und des jeweiligen Pedals (bei senkrechter Kurbelstellung) über dem Boden. Dies ist jedoch nur in extremen Geländesituationen von Bedeutung. Die Tretlagerhöhe kann ohnehin nicht beliebig hoch ausfallen (max. ca. 310 mm), weil sonst gravierende Nachteile entstehen (Füße verlieren den Bodenkontakt, wenn der Pedaleur auf dem Sattel sitzt, die Schrittfreiheit wird verringert usw.).

Lenkkopfrohrwinkel - SteuerrohrwinkelLenkkopfrohrwinkel (häufig Steuerrohrwinkel genannt)
ist der Winkel des Lenkkopfrohres zur Waagerechten. Bei Rahmen mit waagerechtem Oberrohr kann er sich folglich auf das Oberrohr beziehen.
Je steiler dieser Winkel ist, umso stärker die Tendenz eines direkten Lenkverhaltens. Bei Rennrädern ist er mit ca. 72° – 75° steil, bei Mountainbikes, Reise-/Alltags-/Trekkingrädern usw. mit ca. 70° – 73° moderat, bei Hollandrädern mit ca. 67° recht flach. Bei großen Rahmen besteht eine Tendenz zu steileren, bei sehr kleinen Rahmen zu flacheren Lenkkopfrohrwinkeln. Dies ergibt sich einerseits durch die Trittfreiheit (soweit vorgesehen) und andererseits durch den längeren Radstand bei größeren Rahmen, der durch ein steileres Steuerrohr wieder etwas kürzer und damit wendiger wird. Bei flachen Steuerwinkeln ist beispielsweise das Herausfahren aus Spurrillen im Gelände schwieriger als mit steileren Steuerrohren.

GabelbiegungGabelbiegung (auch Gabelkrümmung oder Versatz genannt)
Technisch gesehen ist Versatz (siehe Grafik = „GB“) die präzise Bezeichnung, denn der entsprechende Wert dieses Maßes gibt an, wie weit die Vorderachse von der Lenk-/Lenkmittelachse versetzt wird. Da die meisten Gabelscheiden in gebogenem Zustand verwandt werden, ist Gabelbiegung die nahe liegende Bezeichnung. Die Bezeichnung „Vorlauf“ ist falsch und verwirrend, denn ein „Vorlauf“ wäre ein negativer Nachlauf.
Gebogene Gabelscheiden sorgen für einen gewissen Federungskomfort (vertikale Elastizität). Dieser wird umso größer, je kleiner der Biegeradius und je größer der Versatz. Der Effekt wirkt umso stärker, je flacher der Lenkkopfrohrwinkel ist, denn die Ausschläge einer steilen Gabel tragen zur Vertikalfederung nur geringfügiger bei.

Sonstige Geometrie-Faktoren
Häufig vernachlässigte Maße sind Durchlass und Schutzblechfreiraum. Der Durchlass hat zwei Aspekte. Radial gesehen ist es das Maß Mitte Ausfallende bis Unterkante Gabelkopf (bzw. Ober-/Untersteg), seitlich gesehen, der Freiraum zwischen Reifen und Rahmenrohr.
Wenn Schutzbleche verwendet werden, ergibt sich aus dem Maß Durchlass radial minus Reifenradius der Schutzblechfreiraum. Geringer seitlicher Durchlass begrenzt die Verwendung dickerer Reifen und führt zu vermehrter Schlamm-/Schneeablagerung. Bei MTB’s und Rennrahmen ist der radiale Durchlass oft so knapp bemessen, dass Schutzbleche nicht oder nur mühsam montiert werden können.
Bei zu geringen Schutzblechfreiräumen (weniger als ca. 25 mm) besteht zunehmend die Tendenz des Zusetzens mit Matsch/Schnee – im Extremfall bis hin zum Blockieren der Reifen.