Ob Sie – bei einem üblichen Fahrradtyp- aufrecht, moderat oder sportlich nach vorne gebeugt sitzen, wird durch die Maße des Vorbaus, die Form des Lenkers und die Geometrie des Rahmens bestimmt. Natürlich ist das Empfinden hier subjektiv variabel: was der Eine als entspannt wahrnimmt, kann von einem Anderen als sportliche Sitzhaltung wahrgenommen werden und umgekehrt usw. Wichtig sind – unabhängig von Fahrradtyp, Form des Lenkers und Fitness des Fahrers- folgende Punkte:
- das bequeme Erreichen aller Bedienelemente
- ein sicheres Fahrgefühl
- eine möglichst der natürlichen S-Form der Wirbelsäule entsprechende Sitzhaltung (kein Rundrücken)
- die Arme sollten in einer entspannten und bequemen Körperhaltung leicht abgewinkelt gehalten werden können und die Schultern entspannt nach hinten-unten hängen.
Erläuterungen zur Grafik:
Die Grafik zeigt den Höhenunterschied zwischen Lenker und Sattel bei verschiedenen Sitzpositionen.
HU = Höhenunterschied zwischen den möglichen Griffpositionen an den Lenkerenden. Er beträgt hier ca. 40 cm im Vergleich Rennrad (Unterlenker) zum Hollandrad.
SH = Sattelhöhe/-Ebene, sie ist bei allen drei Abbildungen identisch. Die Unterschiede liegen einerseits in der Lenkerhöhe und andererseits in der Reichweite (Streckung) zwischen Sattel und Lenker.
Oft wird davon ausgegangen, dass mit einem bestimmten Fahrradtyp oder einer bestimmten Lenkerform eine bestimmte Sitzposition zwangsläufig einhergeht. Dies muss nicht so sein. Auch bei einem Rennrahmen kann durch Erhöhen des Lenkers durch einen entsprechenden Vorbau eine nur leicht nach vorne geneigte Sitzposition erreicht werden. Bei einem Trekkingrad kann die Position so von aufrecht bis geneigt variiert werden usw.
Tipp 1: Nehmen Sie sich die Zeit, bis Sie wirklich einen Fahrradtyp gefunden haben, bei dem Rahmengröße und Sitzposition für Sie optimal sind und machen Sie hier keine Kompromisse. Probieren Sie verschiedene Fahrradtypen und Sitzpositionen aus. In einem guten Fahrradgeschäft gehört es zum Service, dass Sie ausgiebige Probefahrten mit verschiedenen, vorher passend auf Sie eingestellten Fahrrädern, machen können.
Tipp 2: Wenn Sie mit der Sitzposition auf Ihrem Wunschrad nicht zufrieden sind, sollten Sie nachfragen, ob beispielsweise ein anderer Vorbau montiert werden kann, um Ihre Sitzposition zu optimieren.
Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte der einzelnen Sitzpositionen erläutert:
Aufrechte Sitzposition
Hier ist der Lenker deutlich höher als der Sattel. Dadurch ist der Oberkörper aufrecht oder nur leicht nach vorne gebeugt. Die Arme sind leicht angewinkelt und auf den Handgelenken und dem Lenker lastet fast kein Gewicht. Viele Menschen empfinden es als angenehm, wenn die Entfernung vom Sattel zum Lenker eher kurz ist. Der Sattel sollte bei dieser Position bequem sein, weil auf dem Gesäß fast das gesamte Körpergewicht lastet. Diese Sitzposition ist insbesondere für Radfahrer geeignet, die eine besonders sichere Radbeherrschung anstreben oder das Cruisen auf eher kurzen Strecken bevorzugen.
Moderate Sitzposition
Hier befindet sich der Sattel leicht unterhalb des Lenkers bis maximal auf gleicher Höhe mit dem Lenker. (Eine Ausnahme gilt für Menschen mit sehr langen Armen und kurzem Oberkörper, bei denen der Sattel etwas über dem Lenker liegen kann.) Der Oberkörper ist um ungefähr 15°-40° nach vorne gebeugt. Ein Teil des Gewichtes des Fahrers lastet auf Händen und Armen. Für viele Fahrer bietet diese Haltung eine angenehme Mischung aus Dynamik und Entspannung. Sie bietet sich für Alltagsfahrer, Touren und moderate Freizeitsportler an. Die natürliche S-Form der Wirbelsäule kann hier meist realisiert werden und macht dann diese Position ideal für Kurzstrecken ebenso wie für lange Touren. Um die erforderliche relativ hohe Lenkerposition zu realisieren, sind ein nach vorn ansteigender Rahmen (ansteigendes Oberrohr) und ein verhältnismäßig langer Vorbauschaft erforderlich.
Sportliche Sitzposition
Um diese nach vorne gebeugte Position zu erreichen, wird der Lenker deutlich unterhalb des Sattels positioniert (siehe Foto). Je tiefer der Lenker angebracht wird, umso weniger Windwiderstand leistet der nach vorne geneigte Oberkörper. Ein großer Teil des Körpergewichtes ruht hierbei auf den Händen, Armen und Schultern. Der Rücken wird zwangsläufig gerundet und die Halswirbelsäule ständig gekrümmt gehalten. Aus orthopädischer Sicht ist diese Haltung durchaus problematisch und der ergonomische Leitsatz kehrt sich ins Gegenteil: der Mensch passt sich der Maschine an!
Der Großteil der handelsüblichen Rennräder, Fitness- und Mountainbikes zwingt den Fahrer in eine solche sportliche Körperhaltung (relativ niedriger Rahmen, geringe Vorbau-/Lenkerhöhe). Im Gegensatz zu den früher weit verbreiteten höhenverstellbaren „Schaft-Vorbauten“, lassen heutige Ahead-Vorbausysteme nur noch relativ geringe Veränderungen der Lenkerhöhe zu.
Aerodynamische Sitzposition mit „gesunder“ Rückenhaltung
Um sportliche Erfolge zu erzielen, müssen Leistungssportler eine aerodynamisch günstige Position einnehmen. Gefahren für die Gesundheit und unbequeme Haltungen werden hierfür in Kauf genommen. Für Freizeitradler, die den Großteil der Radkäufer ausmacht, steht jedoch nicht der Zeitgewinn im Zehntelsekundenbereich im Vordergrund, sondern die Freude am Fahren. Haben sie bereits ein Rennrad, Mountain- oder Fitnessbike und wollen die Sitzposition rückenschonender gestalten, können Sie auf verschiedene Spezial-Vorbausysteme zurückgreifen, die eine höhere Lenkerposition ermöglichen. Sie finden im Fachhandel eine Auswahl unterschiedlicher Konstruktionen, die hierfür in Frage kommen. Ein Kompromiss stellt bei Rennrädern die Verwendung eines Triathlon- bzw. Aerolenkers dar, der durch die erhöhte Armauflage für eine Entlastung des Rückens sorgt und trotzdem den Windwiderstand nur wenig erhöht. Die höhere Lenkerposition erzeugt zwar einen höheren Luftwiderstand, dieser wird jedoch durch die schmale Armführung wieder wettgemacht. Beachten Sie jedoch: wenn die Arme deutlich mehr als in der Rennbügel-Position gestreckt werden, wird es wieder kontraproduktiv!
Komfort UND Leistung – ein Widerspruch?
Keineswegs! Vielmehr gilt: Wer angenehm sitzt, kann schneller fahren! Eine komfortable – also angenehme, schmerzfreie – Sitzposition ist insbesondere für die optimale Leistungsentfaltung im Ausdauerbereich eine entscheidende Voraussetzung. Die Körperstabilität ist besser, wenn man sich in seiner Sitzhaltung wohlfühlt. Das macht sich u. a. durch effizienteres Treten bemerkbar. Außerdem gibt es keine Energieverschwendung durch Herumrutschen auf dem Sattel und ständiges Verändern der Lenkerhaltung, weil man eine angehmere Position sucht, was sich natürlich auch mental und bei der Konzentration auswirkt. Unangehmes Sitzen führt in vielen Fällen auch zu Verspannungen, was wiederum Energie kostet.
Fazit: Extreme Sitzpositionen sind nur etwas für Spitzensportler, die durch gezieltes Training und sportmedizinische Betreuung objektiv herausfinden können, welche Details einem bestimmen Radsportler tatsächliche Zeit-/Geschwindigkeitsvorteile bringen. Für Freizeitsporter gilt das Motto: Anpassung der Maschine an den Menschen – Wohlfühlen hat höchste Priorität.
Für die Sitzposition bei Spezialfahrrädern wie Scooter, Halbliegeräder, Liegeräder etc. gelten vollkommen andere Grundlagen. Informieren Sie sich hierzu z.B. bei hpv.org/Liegerad-Klassifizierungen