Ergonomische Faktoren der Rahmengeometrie

Ergonomie ist die Wissenschaft von der Anpassung von Geräten und „Arbeitsprozessen“ an den Menschen. Arbeitsprozesse ist dabei als stark dehnbarer Begriff zu verstehen, denn auch Sitzen hat beispielsweise mit Ergonomie zu tun. Bezogen auf das Radfahren möchte ich Ergonomie so definieren:
Rad fahren kann hier mit Arbeiten gleichgesetzt werden. Das Arbeitsgerät ist das Fahrrad (und seine Einzelbauteile), das an den menschlichen Körper angepasst werden und ihm das Arbeiten (Tretbewegungen, Lenkerfesthalten, Sitzen, …) erleichtern soll. Auch Faktoren wie Körperhaltung, Sitzen (Berührung Sattel mit dem Körper), Griffhaltung des Lenkers usw. sind dabei als Arbeitsfunktion anzusehen.
Ergonomische-Faktoren-der-Rahmengeometrie_ABB6-1Die nebenstehende Grafik zeigt, welche Faktoren der Rahmengeometrie Einfluss auf die Ergonomie haben –
a’   =  Lenkkopfrohrwinkel (auch Steuerrohrwinkel genannt)
b’   =    Sitzrohrwinkel
LA =    Lenkachse/Lenkmittelachse
Hinweis: die Winkel a’ und b’ beziehen sich auf die Waagerechte. a zu a’ und b zu b’ haben abweichende Werte, wenn das Oberrohr nicht waagerecht ist.

Der Sitzrohrwinkel
Der Sitzrohrwinkel ist ein individuelles Maß. Für eine ergonomische Sitzposition und eine ökonomische Tretbewegung ist es wichtig, dass sich das Gesäß (der Sattel) in einer bestimmten Position zum Fuß (Pedal) befindet. Dieses Maß lässt sich durch den Sitzrohrwinkel – das ist der Winkel zwischen dem Sitzrohr und der Waagerechten – bestimmen. Bei Rahmen mit waagerechtem Oberrohr kann er direkt am Rahmen nachgemessen werden. Bei abfallendem/ansteigendem Oberrohr muss es einen waagerechten Bezugspunkt (Boden) geben. Er beträgt je nach Fahrradtyp ca. 67° (Hollandrad) bis ca. 78° (Triathlon, so genannte „American Position“). Bei den meisten anderen konventionellen Fahrradtypen liegt er zwischen 70° und 74°.
Außer der ergonomischen hat der Sitzrohrwinkel auch eine technische Funktion. Er hat Einfluss auf die Gewichtsverteilung zwischen den Laufrädern – und damit auf das Fahrverhalten.

Die Rahmenhöhe
Sie wird manchmal auch Sitzrohrlänge genannt. Dafür gibt es 3 Messmethoden:

  1. Mitte Tretlager bis Oberkante Oberrohr
  2. Mitte Tretlager bis Oberkante Sitzmuffe (die so genannte „deutsche“ Methode)
  3. Mitte Tretlager bis Mitte Oberrohr (die so genannte „italienische“ Methode).

Bei Moutainbikes gibt es zum Teil nur noch imaginäre Messpunkte, besonders wenn gar kein Oberrohr im konventionellen Sinne mehr existiert. Auch bei abfallenden Oberrohren gibt es keine einheitliche Verfahrensweise der Messung.
Die Rahmenhöhe ist das Maß, dem in aller Regel die größte Bedeutung zugesprochen wird. Oft wird sie als einziges Kriterium herangezogen, ob ein Rahmen „passt“ oder nicht. Die Rahmenhöhe ist aber nur ein Faktor von mehreren.

Die Oberrohrhöhe über dem Boden
Sie kann einfach am montierten Rad gemessen werden (vom Boden bis zur Oberkante des Oberrohres, wenn das Fahrrad senkrecht ausgerichtet ist).
Sie variiert je nach verwendeten Reifen-/Laufradgrößen und sollte beim Kauf eines Fahrradtyps mit Diamantrahmen unbedingt beachtet werden, da sie Bezugsmaß für die Schrittfreiheit (siehe Sicherheitsfaktoren) ist.

„Rahmenlänge“
Genauer gesagt die horizontale Distanz Mitte Lenkkopfrohrdurchmesser bis Mitte Sitzrohr. Beim Diamantrahmen entspricht dieses Maß der Oberrohrlänge. Zusammen mit dem Lenkertyp, der Vorbaulänge und der Sattelpositionierung bestimmt dieses Maß die Oberkörperhaltung. Die optimale/passende „Rahmenlänge“ bildet die Voraussetzung für eine Sitzposition, in der ausdauernd, entspannt und sicher gefahren werden kann!
Neben der ergonomischen Bedeutung hat die Rahmenlänge auch Auswirkungen auf den Radstand und damit auf die Fahreigenschaften.